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news >> 2022 >> 221215_01

15.12.2022

Gedenktafel für polnischen Zwangsarbeiter enthüllt

Erhängt wegen der Liebe zu einer Deutschen

Hohengüstow (ipr) Am 10. Dezember 2022 wurde im uckermärkischen Hohengüstow einem ermordeten polnischen Zwangsarbeiter gedacht. Im Beisein von Vertretern polnischer Opfer-Organisationen hat der Ortsvorsteher am Tatort eine Gedenktafel enthüllt.


Ortsvorsteher P. Kollath enthüllt die Gedenktafelfoto: ipr

Genau 80 Jahre zuvor war der bis heute namenlose Mann auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) am Dorfsee gehängt worden. Er soll sexuellen Kontakt zu der 17-jährigen Irma B. gehabt haben, die dann schwanger wurde. Die Hinrichtung war gedacht als Abschreckung für andere Zwangsarbeiter. Das Mädchen wurde ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt und musste bis Kriegsende Zwangsarbeit leisten.

Im Dorf gab es seit damals kaum Hinweise auf dieses Nazi-Verbrechen. Es schien, dass alle Belege getilgt wurden: Kein Totenschein, keine Liste der in Hohengüstow eingesetzten polnischen Zwangsarbeiter. Lediglich ein Gerücht waberte durch die Erzählungen der Alten. Irgendwann begriff die in Hohengüstow aufgewachsene Historikerin Sarah Grandke was die Erzählungen über einen ermordeten Polen bedeuteten. Sie sprach mit den Alten im Dorf und fand tatsächlich die heute 90-jährige Johanna Grawunder, die sich noch gut an den Tag der Hinrichtung erinnern kann.

Sie konnte aber die aus der gesamten Umgebung herbeigeholten ZwangsarbeiterInnen am elterlichen Hof vorbeimarschieren sehen. "Wir als Kinder durften ja nicht zur Straße gehen. Ich weiß das noch ganz genau. Wir haben aus dem Fenster geguckt. Und da haben wir gesehen, wie sie alle da runtergetrieben haben. Und da haben sie alle mitmüssen, zugucken wie der aufgehangen wird." Sie erinnert sich auch, dass ihre Cousine und der junge Pole auf dem Hof des Ortsbauernführers Horn arbeiteten. Aber beim Namen des Mannes ist sie sich nicht sicher.


foto: ipr

Der Bürgermeister von Uckerfelde, Peter Gerhard, hat auf bitten von Sarah Grandke die Ortschroniken von Hohengüstow durchforstet. Die Eintragungen dort sind handschriftlich und in Sütterlin. Harte Arbeit für den Mann. Aber er wurde fündig. "Am 10.12.42 wurde auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei zwischen zwei Bäumen am Dorfsee ein Pole erhängt. (Er hatte mit Irma F. intime Beziehungen gehabt, die nicht ohne Folgen blieben.)" Gegenüber dem rbb sagte er vor knapp einem Jahr: "Ich war schon schockiert und das vor allem deswegen, weil die ganzen Jahre nicht ein Mensch in Hohengüstow darüber gesprochen hat."Als wenn darüber ein Schleier gelegt worden sei, es ein Geheimnis war, von welchen bestimmt viele gewusst hätten. "Man hat einfach nicht darüber gesprochen und das fand ich irgendwie traurig."

Nach den Angaben der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück mussten die deutschen Partnerinnen der Polen während der NS-Zeit massive öffentliche Demütigungen erleiden. Ihre Haare wurden geschoren. Sie wurden mit Schild und Blaskapelle durch den Ort getrieben.

Davon blieb Irma B. verschont. Sie verschwand. Vermutlich wurde sie ins Polizeigefängnis nach Potsdam gebracht, weil es sich beim Kontakt zu Fremdvölkischen um eine politisches Delikt handelte. Belege darüber gibt es nicht. Bekannt ist nur, dass die Gestapo in Potsdam einige Zellen belegen konnte.

Ein möglicher Ort, um die Frauen "zwischenzuparken" bevor sie ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück kamen, war das Arbeitserziehungslager Fehrbellin. Arbeiten mussten die Frauen dann in der dortigen Hanffabrik. So erging es jedenfalls Margarete Holzheimer aus Röpersdorf, die 1941 sexuellen Kontakt zu einem polnischen Zwangsarbeiter hatte, der ebenfalls hingerichtet wurde. Sie musste zuerst in der Hanffabrik Rhinow und nachdem die im Frühjahr 1942 abgebrannt war in der Hanffabrik Ferbellin Zwangsarbeit leisten.

Aber das ist Spekulation. "Zur Entbindung durfte sie nach Hause. Da waren sie ja froh, dass sie das Kind behalten konnten", erinnerte sich Cousine Johanna. Danach musste Irma B. Fünf Tage nach ihrem 18. Geburtstag musste Irma B. ins Frauen-KZ Ravensbrück. Das im November 1942 geborene Kind wuchs bei den Großeltern auf. In Ravensbrück gab es laut Mahn- und Gedenkstätte circa 3.500 deutschsprachige Frauen, die Kontakt zu sogenannten Fremdvölkischen hatten und von den Wächterinnen und anderen Mitgefangenen als "Bettpolitische" denunziert wurden.

Irma B. wurde von Ravensbrück zu Kriegsende ins KZ Dachau verschleppt. Sie war dann zunächst nach Hohengüstow zurückgekehrt und hat ihrer Cousine Johanna stets versichert, dass der gehängte Zwangsarbeiter gar nicht der Vater des Kindes gewesen sei. Später habe sie mit ihrer Tochter Hohengüstow wieder verlassen.


Im Zentrum Józef Sowa, Vorsitzender der Vereinigung der durch das Dritte Reich
geschädigten Polen. Im Rollstuhl Zeitzeugin Johanna Grawunder.foto: ipr

Peter Gerhard war klar, dass er dem jungen Polen ein Denkmal gesetzt werden sollte. Er hatte ja noch ein Jahr Zeit, um Gemeinderat und Ortsbeirat zu überzeugen. Am vergangenen Samstag war es dann so weit. Begleitet von VertreterInnen polnischer Opferorganisationen wurde die Gedenktafel von Ortsvorsteher Peter Kollath enthüllt. Gegenüber den rbb sagte er: "Es gab ja doch einige Probleme mit dem Gedenkstein aufzustellen, weil ja nicht alle einverstanden waren. Aber jetzt haben wir das durchgezogen und wir haben im Ortsbeirat und in der Gemeindever- sammlung gemerkt, dass doch eine positive Resonanz da ist. Und deswegen haben wir dieses auch weiter verfolgt und sind jetzt dazu gekommen, dass heute dieser Stein eingeweiht werden konnte."

Die Tochter aus dieser deutsch-polnischen Beziehung war ebenfalls eingeladen worden, ließ sich allerdings wegen Krankheit entschuldigen.



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