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04.04.2022

Prozess um gestohlenes Nordkurier-Fahrzeug Teil 1

Herrenmenschen müssen nicht zu Fuß gehen

Prenzlau (ipr) Derzeit müssen sich zwei Nazis vor dem Schöffengericht in Prenzlau verantworten. Ihnen wird Diebstahl, Fahren ohne Führerschein und Sachbeschädigung vorgeworfen.

Anders als bei mehreren Prozessen in den Vorwochen, die gegenrede.info begleiten wollte, erschienen vergangenen Donnerstag die rechtsextremen Angeklagten vor Gericht. Der 42-jährige Marco S. in Handschellen und der 17-jährige Florian-Paul J. durchgestylt als Retro-Nazi: Sneaker der Marke New Balance, Camouflage-Hose, Bomberjacker und Glatze.

Das Tatgeschehen

Um zu erfahren, was die beiden Männer angestellt haben, lohnt sich der Blick in die Polizeimeldung des Tattages: "Ein Zusteller des Nordkurier wurde während seiner Arbeitszeit überfallen und sein Fahrzeug samt Inhalt gestohlen. Am 8. April gegen 3.30 Uhr meldete sich der 34-jährige Zusteller bei der Polizei und gab an, dass ihm gerade sein Firmenfahrzeug gestohlen worden sei.

Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei hatte er Zeitungen ausgefahren und war dazu mit einem Opel Combo unterwegs gewesen. In der Straße des Friedens kamen zwei Männer auf ihn zu. Sie verwickelten den Zusteller in ein Gespräch, in dessen Folge sich einer der beiden "Herren" vor ihm aufbaute und somit den Zugang zum Fahrzeug versperrte. Der andere Mann nahm auf dem Fahrersitz Platz, wartete, bis sein Komplize ebenfalls in das Auto sprang und dann brauste das Duo davon.

Im Zuge der Nahbereichsfahndung konnte der Opel bei Wittenhof entdeckt werden. Die Fahrt ging bis hinein nach Prenzlau, wo der Wagen in der Brüssower Straße einen geparkten VW beschädigte. Im Georg-Dreke-Ring sprangen die beiden Insassen aus dem Fahrzeug und versuchten zu entkommen. Den Beamten gelang es, einen der Flüchtigen zu greifen. Bei ihm handelt es sich um einen bereits hinlänglich bekannten 40 Jahre alten Uckermärker. Er wurde vorläufig festgenommen. Die Fahndung nach dem zweiten Täter war ebenfalls erfolgreich. Der 15-Jährige sitzt nun ebenfalls Kriminalisten gegenüber."

Im Polizeibericht fehlt, dass die beiden Nazis mit einem weißen Hund unterwegs waren. In dem Polizeibericht fehlt auch, dass die beiden Männer über einen Feldweg nach Baumgarten flohen und dort einen quergestellten Polizeiwagen mit Vollgas durch einen Graben umkurvten. So jedenfalls berichtete es der damalige Dienstgruppenleiter im Zeugenstand. Bei der weiteren Verfolgungsjagd zurück nach Prenzlau habe er mehrfach versucht das Fahrzeug zu überholen. Dabei seien die Wagen auch aneinander gestoßen.

Hinlänglich bekannt

Der hinlänglich bekannte Mann ist Marco S. Er war am 13. Juli 2002 an der Ermordung von Marinus Schöberl in Potzlow beteiligt und zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt worden. Derzeit sitzt er eine elfmonatige Gesamtstrafe ab, weil er einen Flüchtling geschlagen und zwei Frauen sexistisch begrapscht hat. Davor gab es eine zehnmonatige Haftstrafe, weil er beim Baden sein Hakenkreuz-Tattoo zur Schau gestellt hat.

Der Jüngere ist für den Richter auch kein unbeschriebenes Blatt. Ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wurde wohl hinsichtlich dieses Verfahrens eingestellt.

Was sagen Angeklagte und Zeugen

Die Angeklagten sagen nichts. Aber sie lassen ihre Anwälte reden. Die sagten, dass ihre Mandanten betrunken gewesen seien. Und sie den Wagen nur ausleihen wollten, um nach Hause in den Dreke-Ring zu fahren. Der 15-Jährige sei gefahren und der 40-Jährige habe mit Hund auf dem Beifahrersitz gesessen.

Der Zusteller des Nordkurier berichtet vor Gericht, dass der Größere auf der Fahrerseite eingestiegen sei. Der Richter ließ beide Angeklagten aufstehen. Der Zeuge zeigte auf den Größeren. Das ist der heute 43-jährige Marco S.

Ein Revierpolizist erklärte, dass er kurz nachdem der Zusteller auf der Wache war, um den Diebstahl zu melden, ihn der Anruf einer Josefine S. erreicht habe. Sie habe berichtet, dass Marco S. und ein Flori mit einem weißen Hund bei ihr gewesen seien. Sie hätten stolz mit einem Autoschlüssel gewedelt. Sie wolle damit nichts zu tun haben. Josefine S. gehörte neben Ole P. zu denen, die ihren Gerichtsauftritt schwänzten.

Der Dienstgruppenleiter dieser Nacht hatte sich sofort aufgemacht, um den gestohlenen Kurierwagen zu suchen. Eine Streifenwagenbesatzung hatte das Fahrzeug auf Höhe des Prenzlauer Krankenhauses entdeckt. Es fuhr Richtung Pasewalk. Das ist nicht gerade der kürzeste Weg von der Prenzlauer Innenstadt Richtung Dreke-Ring.

Zum Abschluss des ersten Prozesstages durften sich die Prozessbeteiligten die Polizeivideos der Verfolgungsjagd anschauen. Der Prozess wird morgen fortgesetzt.

siehe auch
Sexistische Angriffe mit Haft bestraft
Die alte Garde kommt zurück
Beim Baden die gestochene Schulter gezeigt



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