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news >> 2021 >> 210604_01

04.06.2021

Wenn der Stein ins Rollen kommt

Chaostage bei den Templiner Stadtverordneten

Templin (ipr) Mittwochabend ist in Templin der Versuch von zwei Fraktionen vorerst gescheitert, den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung, Franz-Christoph Michel (CDU), abzuwählen. 13 gegen 12 Stimmen hieß es am Ende einer chaotischen Abstimmung. Inzwischen hat der Templiner Bürgermeister Detlef Tabbert (Die Linke) den Beschluss beanstandet.

Andreas Büttner, Fraktionsvorsitzender von "Die Linke" nannte drei Gründe für den Abwahlantrag. Franz-Christoph Michel soll die Stadtverordneten im Zusammenhang mit einem Gedenkstein für Hans-Georg Graf von Arnim hinters Licht geführt haben. Der Stein befand sich bis Weihnachten letzten Jahres mit Erlaubnis der Familie Michel am Netzowsee und gedachte einem Mann, der seine Zukunft nach dem Krieg auf dem Rücken von KZ-Häftlingsfrauen aufgebaut hat.


Stein des Anstoßesfoto: ipr

Auf dem Gut Zichow, als dessen Herr er auf dem Gedenkstein dargestellt wird, befand sich von Juli 1944 bis Februar 1945 eine Außenstelle des Frauenkonzentrationsla-gers Ravensbrück. Das Land Brandenburg fordert deswegen nach der Wende geleistete Entschädigungszahlungen von den Erben zurück. Eine Klage dagegen scheiterte vor Kurzem vor dem Brandenburgischen Verwaltungsgericht. Franz-Chri-stoph Michel ist Anwalt von drei der vier Klägerparteien.

Moralisch angreifbar sei Michel auch wegen mangelnder Neutralität in Sachen Photovoltaik-Anlagen auf Ackerflächen. In einer gemeinsamen Sitzung von Bau-und Stadtentwicklungsausschuss soll er erst eine flammende Rede für die Notwendigkeit von Solarenergie gehalten und einige Zeit danach den Saal verlassen haben, weil das 90 Ha Projekt eines Familienmitgliedes zur Abstimmung kam.

Als dritten Punkt nannte Büttner Michels mangelnden Willen zur Zusammenarbeit mit seinen Stellvertretern.


Franz-Christoph Michel in der SVVfoto: ipr

Die "Uckermärker Heide/ Wählergemeinschaft Den Bürgern verpflichtet" ist die zweite Fraktion im Bunde. Ihr Vorsitzender, Ulrich Bräuer, ergänzte den Antrag um einige sehr persönliche Worte. Er bezog sich dabei auf die Äußerung, die Michel als Anwalt der Familie von Arnim vor dem Verwaltungsgericht gemacht haben soll: "Und da geht es eben um Quälereien, da geht es um geschundene Frauen, die dort arbeiten mussten, 100 an der Zahl. Und es ist so, wenn einige Frauen nicht mehr konnten, dann wurden sie ausgetauscht. Kein Mensch weiß, was mit den ausgetauschten passiert ist. Und sie sagen, und sie geben an, sie bezweifeln die schlechte Unterbringung. Ich kann damit nicht umgehen, ich muss ihnen das ganz ehrlich sagen."

Dass Michels berufliches Verhalten als Rechtsanwalt bei der Vertretung seiner Mandanten vor Gericht gar nichts mit seiner Stellung als Vorsitzender der Templiner Stadtverordnetenversammlung zu tun hat, ficht Ulrich Bräuer allerdings nicht an.

Franz-Christoph Michel äußerte sich in der Sitzung zu den Vorhaltungen nicht. Er leitete die Sitzung auch weiter als der Tagesordnungspunkt "Abwahl des Vorsitzenden" aufgerufen wurde.

Wahl oder Abstimmung

Das Mitglied der SPD/Grüne-Fraktion Nico Brückmann kritisierte Büttner scharf und verlangte eine namentliche Abstimmung. Das setzte Michels dann auch durch, obwohl die Rechtsabteilung der Stadt hier eine andere Position vertrat. Auch eine Abwahl sei eine Wahl und müsse deshalb geheim sein.

Mit der namentlichen Abstimmung wurden die eigenen Reihen geschlossen. Auch wenn die fünf AfD Stadtverordneten den Abwahlantrag unterstützen, es hätte nicht ausgereicht. Eine Stimme hätte gefehlt.

Ulrich Bräuer war über dieses seiner Meinung nach rechtswidrige Vorgehen dermaßen empört, dass er noch im Abstimmungsvorgang laut schimpfte. Er erhielt einen Ordnungsruf, gab keine Ruhe und wurde des Saales verwiesen. Mit ihm ging ein Großteil seiner Fraktion.


Der Auszug - davor schmunzelnde Sozialdemokratenfoto: ipr

Weil er "Nein" sagte als er nach seinem Abstimmungsverhal-ten gefragt wurde, wurde seine Stimme auch als "Nein" gewer-tet. Das "Nein" galt aber dem Vorgehen des Vorsitzenden und war nicht sein Votum. Es war aber die entscheidende Stim-me zum 13 zu 12, um den Abwahlantrag abzulehnen.

Für Ulrich Bräuer kein Problem. Für ihn ist es völlig klar, dass die Kommunalaufsicht der Beanstandung des Bürgermeisters stattgeben und somit der Abwahlantrag am 23. Juni erneut auf der Tagesordnung stehen wird.

Der Satz "Dass Michels berufliches Verhalten als Rechtsanwalt bei der Vertretung seiner Mandanten vor Gericht gar nichts mit seiner Stellung als Vorsitzender der Templiner Stadtverordnetenversammlung zu tun hat, ficht Ulrich Bräuer allerdings nicht an." wurde am 05.06.2021 in den Artikel eingefügt.



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