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news >> 2014 >> 140109_01

09.01.2014

Bilanz Finowfurt 2013

Gewaltfrei über die Runden gekommen

Finowfurt (ipr) 2013 ist der Versuch gescheitert, das Grundstück der Manns in Finowfurt (Barnim) zu einem zentralen Konzertort der rechten Szene in Brandenburg und Berlin auszubauen. Für das kommende Jahr muss allerdings mit einem erneuten Versuch gerechnet werden.

Im Gegensatz zu den Vorjahren gab es mehr Veranstaltungen, die konsequent als Konzert durchgeführt wurden. Den Auftakt machte Klaus Mann am 13. April mit einer Feier anlässlich der Gründung des Brandenburger Ablegers der Nazi-Partei "Die Rechte" im Januar in Biesenthal. Klaus Mann ist Landesvorsitzender und seine Frau Sybille im Vorstand. Er versuchte den Konzertcharakter der Veranstaltung gegenüber der Gemeinde Schorfheide zu verheimlichen. Das schlug fehl, weil es auffiel, dass parallel dazu die mit der Beeskower Nazi-Band "Frontfeuer" verbandelte "Terrorcrew Kameradschaft Kommando Werwolf" (KSKW) aus Frankfurt (Oder) über Facebook am selben Tag am selben Ort zu einem Solidaritätskonzert aufrief.

Die KSKW befand sich auf der Suche nach einem neuen Ort für ihre Konzerte. Ihren eigenen das sogenannte "Sturmlokal" im Triftweg in Frankfurt (Oder) hatte sie kurz zuvor eingebüßt. Da die Bands für einen guten Zweck spielten, kann man davon ausgehen, dass hier auch Eintritt bezahlt oder gespendet werden musste. Bei 75 Konzertbesuchern allerdings kaum von Bedeutung. Die Polizei hatte das Gelände abgesperrt und Personenkontrollen durchgeführt.


Das Gelände der Manns direkt an der Autobahnabfahrt Finowfurtfoto: ipr

Ebenfalls im April tauchte bei Facebook die Ankündigung auf, dass es am Pfingstsamstag ein Benefizkonzert auf dem Gelände geben sollte. 13 Rechtsrock-Bands sollten für einen guten Zweck unter dem Motto "Einer für alle, alle für einen" spielen. Organisiert wurde das Konzert von den Berliner Rechtsextremisten Gesine Hennrich (Schrader) und Peter Kautschuk. Karten gab es ausschließlich im Vorverkauf. Wer daran teilnehmen wollte, musste 30 Euro in die Hand nehmen. Als "Guten Zweck" nannte Gesine Hennrich "Kameraden in Not". Es wurde spekuliert, dass Klaus Mann selbst der Empfänger des Geldes war. Zwischen 650 und 1000 Tickets wurden verkauft. Dazu Konzert-T-Shirts, Cds und Catering.

Maulhelden

Einer, der den Geldflüssen auf den Grund gehen wollte, war Brandenburgs linker Finanzminister Helmuth Markov. "Auf einer privaten Veranstaltung nimmt man kein Geld ein," so seine Überlegungen gegenüber einem RBB-Reporter. "Wenn er Geld einnimmt, muss er es versteuern. Und dann ist es eine gewerbliche Tätigkeit. Da muss man gucken, ob die überhaupt angemeldet ist. Ob es da eine Firma für gibt. Man muss sich mit den Mitteln, die das Recht einem bietet, eben auch zur Wehr setzen."

Der RBB hatte beim Finanzministerium nachgefragt, was bei dem "zur Wehr setzen" rausgekommen ist. Nichts, es wird geblockt, scheint die Erkenntnis beim RBB gewesen zu sein.

Demonstrationskultur muss wachsen

Das lokale Bündnis "Bunte Schorfheide" rief gemeinsam mit dem Bündnis "Finowfurt-Nazifrei" auf, friedlich zu demonstrieren, um dem Nazi-Spuk auch auf der Straße etwas entgegen zu setzen. Bürgermeister Uwe Schoknecht nimmt dann auch für seine Gemeinde Lehrzeit in Anspruch: "Wir sind nicht im Wendland, wo man Demonstrationen seit 40 Jahren kennt. Bei uns in der Schorfheide muss die Demonstrationskultur erst wachsen!"

Was man allerdings in der Gemeinde und im Kreis kennt, sind ordnungsrechtliche Maßnahmen mit denen man den rechtsextremen Veranstaltern zu Leibe rücken will. Ein großer Garagenkomplex wurde wegen baulicher Mängel für Auftritte gesperrt. Eine ohne Baugenehmigung errichtete Bühne in der Halle musste wieder abgerissen werden. Die Anzahl der Besucher, die sich während einer Veranstaltung gleichzeitig auf dem Gelände aufhalten dürfen, war auf 1000 Personen begrenzt worden. Die Lautstärke um das Grundstück herum sollte 55 Dezibel. Die Einhaltung dieser Auflage musste der Veranstalter ständig durch Lärmmessungen nachweisen. Um 22:00 Uhr sollen die Nazis selbst den Stecker ziehen. Trotz gegenteiliger Ankündigung wurden die Auflagen akzeptiert.

Aber damit war es nicht getan. Aus der bisher doch eher defensiven Haltung gegenüber den Veranstaltungen der Manns "In den Sandstücken", nahm die Gemeinde in diesem Jahr eine viel aktivere Rolle ein. Vor jeder geplanten Veranstaltung gab es gemeinsame Erörterung mit der Polizei. Es gelang dem Ordnungsamt sowohl die Konzertauflagen als auch ein Konzertverbot rechtssicher zu formulieren. Es gab Gesprächsrunden beim Landrat, mit Ministerien und dem Verfassungsschutz.

Als Konsequenz wurde unter Federführung der Koordinierungsstelle "Tolerantes Brandenburg" eine "Arbeitsgemeinschaft zum Umgang mit extremistischen Szeneobjekten" gegründet. Ziel dieser ressortübergreifenden Arbeitsgemeinschaft ist es, eine generelle Handlungsempfehlung zum Umgang mit solchen Plätzen zu erarbeiten.

Hoffnungsvoller Protest


Etwa 1000 Personen demonstrierten am Samstag gegen die Nazis in Finowfurtfoto: ipr

Es war das erste Mal seit Jahren, dass es in Finowfurt derart lauten Protest gegen eine rechtsextreme Veranstaltung gegeben hat. Etwa 1000 Menschen hatten friedlich gegen dieses Konzert demonstriert und die Anfahrt der Nazis behindert. Dank der Blockade einer Autobahnausfahrt, einer Radfahrerbrücke und der Deeskalationsstrategie der Polizei waren die Nazi-Konzertbesucher zu großen Umwegen gezwungen, um das Konzertgelände zu erreichen. 650 von ihnen durchliefen letztendlich die intensiven Polizeikontrollen vor dem Grundstück "In den Sandstücken". Das ging so bis etwa 15:00 Uhr. Da waren dann schon zwei Nazi-Bands des Feldes verwiesen, weil sie indizierte Lieder gespielt hatten.

Die von Gesine Hennrich angekündigte allerdings nicht durchgeführte juristische Überprüfung der Auflagen holte Klaus Mann Ende Juni für das Sommerfest von "Die Rechte" nach. Er scheiterte damit vor dem Oberverwaltungsgericht. Zu kostspielig waren ihm die ständigen Lärmmessungen. 55 Dezibel durften nicht überschritten werden. Und das frühe Ende der Veranstaltungen um 22 Uhr ärgerte ihn sicher auch.

Eine Demonstration gegen die Nazi-Veranstaltung gab es diesmal nicht. Die Gäste, die von der Autobahn kamen, wurden lediglich mit einem Transparent begrüßt, das klar zum Ausdruck brachte wer willkommen ist und wer nicht. Parallel fand von Freitag bis Sonntag in Finowfurt am Flugplatz das Rock’n’Race Festival mit Tausenden von Besuchern statt. Dazwischen noch eine Anti-Nazi Demonstration wäre wohl des Guten zu viel gewesen. Überschattet wurde der Samstag durch den Tod eines Piloten beim Absturz eines Sportflugzeuges in ein Solarfeld unmittelbar neben dem Festivalgelände.

Doppelstrategie gescheitert

Die "Märkischen Skinheads 88" aus Velten fuhren bei ihren Konzert- und Sportfestvorbereitungen zweigleisig. Neben Finowfurt meldete der NPDler Robert Wolinski das "Freiluftkonzert in Mitteldeutschland" ebenfalls für den 27. Juli in dem zu Pasewalk gehörenden Viereck in Mecklenburg-Vorpommern an. Im August 2012 fand dort das Pressefest der NPD-Postille "Deutsche Stimme" statt.


screenshot: ipr

Die Strategie scheiterte, weil beide Gemeinden sehr schnell zusammen kamen und ihr Vorgehen absprachen. Letztendlich fanden Konzert und Sportfest in der Schorfheide statt. Eine kleine Demonstration gegen diese Veranstaltung, die in den Schulferien stattfand, wurde vom Aktionsbündnis "Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt" unterstützt. Der Gemeinderat von Schorfheide hatte danach einstimmig beschlossen sich der "Pasewalker Erklärung" der Bürgermeister von Pasewalk, Schwedt, Prenzlau und Templin anzuschließen. Kern der Erklärung ist das Ziel, Nazis in jedem Dorf, in jeder Stadt, in jeder Gemeinde die Stirn zu bieten.

Rückschläge für die Nazis

Verlief das Konzertjahr bis dahin für die Manns recht erfolgreich, kam es beim zum Heß-Todestag geplanten Konzert der Bands "Kategorie C – Hungrige Wölfe" und "Pitbullfarm" zu ersten größeren Problemen. Das unter den bekannten Auflagen genehmigte Konzert wurde vom Veranstalter zuerst vom 17. August auf den 28. September verlegt und dann von der Gemeinde Schorfheide verboten. Das Verbot hatte auch vor den Gerichten bis hin zum Verfassungsgericht bestand. Die Richter lehnten die Widersprüche wohl ab, weil bei der Mischung der Konzertbesucher - Hooligans und Nazis - Gewaltaktionen nicht auszuschließen waren.

Die Verschiebung des Konzertes war vom Bündnis "Finowfurt Nazifrei" voreilig als Absage kommuniziert und als Erfolg des Protestes gefeiert worden. "Kategorie C – Hungrige Wölfe" nannte aber als Grund die Auflagen. Man hatte sich verzockt und den Konzertbeginn auf 21:30 Uhr festgelegt. Das bedeutet ein "Kategorie C" Konzert für nur 30 Minuten. Da hatte die Gemeinde gern genehmigt.

Die für diesen Tag geplante Gegendemonstration lief mangels Konzert ins Leere. Am gleichen Tag fand das Plenum des landesweiten Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit statt. Ein Thema des Plenums war der Umgang mit Nazi-Konzerten.

Die siebte Jahresfeier der eigentlich gar nicht mehr existenten "Kameradschaft Märkisch Oder Barnim" war die letzte größere Musikveranstaltung auf dem Mann-Gelände. 120 Besucher wurden wie fast jedes Mal in diesem Jahr vorzeitig vom Hof geschickt. Mal war es das Singen indizierter Lieder, mal war es das Zeigen des Hitlergrußes. Die Polizei war immer sehr präsent und Schritt bei Rechtsverstößen konsequent ein. Beendete mehrere Veranstaltungen vorzeitig. Dazu die Überprüfung der Personalien aller Besucher. Das nervte die Nazis, führte aber nie zu irgentwelchen Gewaltausbrüchen.

Absagen

Die erste Absage kam von Klaus Mann selbst. Er ließ den 4. Preußentag der Brandenburger NPD, der Mitte Oktober in Finowfurt stattfinden sollte, kurzfristig platzen. Da schien "Die Rechte" der rechtsextremen Konkurrenz NPD schaden zu wollen.

Das für November vorgesehen "Fireblade Force Festival" mit einigen NS Black Metal Bands wurde von Veranstalter Björn Eichhorn nach Leipzig verlegt. Ihm waren die Kosten für den Auflagen wie Sanitäter und Krankenwagen zu hoch. In Leipzig kam das Festival nie an. Er behauptet, er sei von der sächsischen Polizei massiv unter Druck gesetzt worden.


Kommandow Werwolfscreenshot: ipr

Aus Frankfurt (Oder) war von der "Kameradschaft Kommando Werwolf" zu hören, man habe keinen Bock mehr auf die ständigen Kontrollen durch die Polizei. Ein ursprünglich für Finowfurt angedachtes Solidaritätskonzert für politische Gefangene fand am 9. November, dem 75. Jahrestag der Reichspogromnacht, in Söllingen bei Karlsruhe statt. Das zuständige Landratsamt in Rastatt hatte Livemusik und das Ausschenken von Getränken an diesem Tag verboten. Daran hatten sich die Nazis nicht gehalten, sondern nahmen die Ordnungsstrafe in Höhe von 2.000 Euro in Kauf. In Finowfurt wäre das so nicht gelungen.

Nachtrag

Die größte Rechtsrock-Veranstaltung des Jahres mit 1000 Besuchern war "Live Hate 8". Es fand im fränkischen Scheinfeld statt. Patrick Schröder aus Mantel (Oberpfalz), NPD-Macher des Nazi-Online-Radio - und tv Angebots "Frei Sozial National" (FSN), war es gelungen in Scheinfeld einen Diskothekenbetreiber aufzutun, der bereit war ein Konzert anzumelden, ohne seinen rechtsextremen Partner zu nennen und die Stadt über die auftretenden Bands zu täuschen.

Ursprünglich wurde das Konzert mit dem Zusatz "In Mitteldeutschland" beworben. Eine Formulierung, die Finowfurt mit einbezogen hat. Patrick Schröder war nach eigenen Angaben im Mai in Finowfurt gewesen und hat beim Solidaritätskonzert für Klaus Mann Erfahrungen mit Polizeieinsatz und Gegendemonstranten sammeln können. Seit Mai war jede Konzertveranstaltung auf dem Gelände in Finowfurt wegen Rechtsverstößen vorab durch die Polizei beendet worden. Patrick Schröder beschrieb es so: "Finowfurt ist eine Openairveranstaltung, die knallhart vom Staat bekämpft wird." Darauf haben die FSN-NPDler keinen Bock.

Als nächstes stand Kämeritz bei Zerbst unweit von Magdeburg (Sachsen-Anhalt) auf dem Plan. Doch auch daraus wurde nichts. Aus der Stadtverwaltung hieß es, dass von dem Veranstalter aus Weiden ein schlüssiges Sicherheitskonzept verlangt worden war, was nie kam. Die Umsetzung war sicher zu kostspielig. Ein schlüssiges Sicherheitskonzept hat die Gemeinde bisher von noch keinem der Konzertveranstalter in Finowfurt verlangt. Das könnte sie in Zukunft einmal tun.



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