Nachrichten, Berichte, Analysen zum Rechtsextremismus in der Uckermark |
13.12.2012 Antiziganismus vor GerichtFreispruch von Volksverhetzung mangels BeweisenNeuruppin (ipr) Im Berufungsprozess um die Vertreibung des Familienzirkus "Happy" aus Milmersdorf vor dem Landgericht Neuruppin wurden nach drei Verhandlungstagen die vier Angeklagten vom Vorwurf der Volksverhetzung mangels Beweisen frei gesprochen. Frederike P. und Nicole W bleiben ohne Strafe. Kay M. und Alexander W., die während des Prozesses Steinwürfe und Beschimpfungen gestanden hatten, wurden nach Jugendstrafrecht verwarnt und müssen zusätzlich 100 beziehungsweise 50 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Am 24. September 2010 hatten Einwohner von Milmersdorf mit Steinwürfen, Schmäh- und Drohrufen wie "Zigeunerpack, verpisst euch!" oder "Wie fackeln eure Wagen ab!" die fünf Kinder des Familienzirkus "Happy" im Alter von 7 bis 16 Jahren in Angst und Schrecken versetzt und letztendlich den Zirkus zur Abreise gezwungen. Anfang des Jahres waren fünf Personen deswegen vor dem Amtsgericht Prenzlau wegen Volksverhetzung unter anderem zu Gefängnisstrafen auf Bewährung verurteilt worden. Nur ein heute 31-Jähriger akzeptiert damals das Urteil. Gestern endete die Berufungsverhandlung. Richterin: "Was haben Sie denn nun gehört?" Richterin: "Nun erzählen Sie mal. An was können Sie sich noch erinnern?" Das sind nur zwei Beispiele, um begreiflich zu machen, warum das Gericht in der mündlichen Urteilsbegründung betonte, dass die vielen gehörten Zeugen wenig zur Aufklärung des Geschehens beitragen konnten oder wollten. Selbst Zirkusfamilientochter Justine H. erkannte die "Dame", von der sie beschimpft wurde, im Gerichtssaal nicht wieder. Bei derartigen Erinnerungskapriolen konnte das Gericht nur feststellen, dass den Angeklagten in Bezug auf die Volksverhetzung keine konkreten Tathandlungen nachzuweisen waren. Das Gericht ging sogar so weit, dem Verteidiger von Alexander W. ein Stückchen zu folgen und den Ausdruck "Zigeunerpack" als grundsätzlich volksverhetzend infrage zu stellen. Es reduzierte die Vorkommnisse, die von Kay Ws Verteidigerin als "furchtbares Gruppengeschehen" bezeichnet wurden, auf Abreagieren von Unmut. § 130 StGB: Volksverhetzung (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, ______________________________________ Irmela Mensah-Schramm schrieb am 13.12.2012 ______________________________________ Ihre Meinung |