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news >> 2012 >> 121114_01

14.11.2012

Den Polen traut man hier alles zu

Der Bindestrich – Hoax

Prenzlau (ipr) In der vergangenen Woche belagerten Bürger in der Grenzregion zwischen der Uckermark und Mecklenburg-Vorpommern die Kfz-Ämter in Pasewalk und Prenzlau. Sie wollten ihre Kfz-Scheine ändern lassen, um vermeintlichen Geldstrafen in Polen vorzubeugen.

Das Gerücht …

Wer in Polen in eine Fahrzeugkontrolle kommt, der muss bis zu 500 Euro zahlen, wenn die Darstellung des Kennzeichens im Kfz-Schein nicht mit der Darstellung auf dem Nummernschild übereinstimmt. Wer nun seinen Kfz-Schein herauskramt und beides vergleicht, wird im Schein einen Bindestrich entdecken, der auf dem Nummernschild fehlt.

… als Mittel der Politik

Da viele Menschen, die in der Grenzregionen leben, den Polen alle Gemeinheiten zutrauen, glaubt man auch dieses Gerücht und marschiert schnell zum Amt, um den Schein ändern zu lassen. Dafür müssen sie 11,70 Euro bezahlen. Schließlich will man ja weiterhin in Polen ungestört günstigeres Benzin kaufen. Und die 11,70 Euro sind allemal günstiger als 500 Euro. Dass die polnischen Beamten nur in Zloty und höchstens 500 davon kassieren dürfen, hat niemanden interessiert.

Wer sich nun die Augen reibt über die Ergebnisse der neuesten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass es in den neuen Bundesländern eine massive Zunahme von Menschen mit geschlossenen rechtsextremistischen Weltbild gibt und dass dabei Ausländerfeindlichkeit die größte Rolle spielt, der kann das hier am praktischen Beispiel erleben. Zu groß sind die Vorurteile gegenüber den polnischen Nachbarn. Dabei werden die Menschen Opfer ihrer eigenen Ressentiments und nicht das Opfer von korrupten polnischen Polizisten. Ob sie aus dem stundenlangen Warten eine Lehre ziehen, wohl kaum.

So ganz allein mit ihren Vorbehalten gegen ausländische Polizeibeamte sind die Uckermärker und Vorpommern allerdings nicht. Im Sommer tauchte das Gerücht in Süddeutschland auf. Damals waren italienische und österreichische Polizisten die Bösewichte.

… und der Journalist als sein williger Helfer

Statt sofort vernünftig zu recherchieren, haben die Prenzlauer und Pasewalker Zeitung anders als die Märkische Oderzeitung dem Affen auch noch Zucker gegeben. Wer sich in der vergangen Woche mit den wartenden Leuten in der Prenzlauer Kfz-Anmeldestelle unterhielt, bekam immer wieder zu hören, ihre Kollegen von der Zeitung haben das doch auch geschrieben.

Die Wartenden in der Zulassungsstelle waren nicht zu überzeugen. Da fuhr einer seit Jahren quer durch Polen. Nie war er kontrolliert worden. Aber für ihn waren die polnischen Beamten korrupt. Es interessierte niemanden, dass noch keine einzige Quittung über eine derartige Strafe aufgetaucht war. Kein Gedanke wurde daran verschwendet, dass von offizieller polnischer Seite verkündet worden war, dass es keinerlei Rechtsgrundlage gäbe, deutsche Autofahrer wegen eines überflüssigen Bindestrichs zur Kasse zu bitten.

Jeder kannte einen, der einen kannte, dem …. Wer allerdings konsequent den Behauptungen der Menschen über Strafzahlungen nachrecherchierte, merkte schnell, dass sich jede vermeintlich Abzocke durch polnische Polizisten in Luft auflöste.

Wer hat Schuld?

Ganz spitzfindige Zeitgenossen schossen sich auf die Bundesregierung ein. Die habe das doch alles verbockt, weil man Mal wieder in Europa eine Extrawurst brate und die europäischen Vorgaben nicht umsetze. Konsequent verlangten die, dass ihnen die 11,70 Euro für das Umschreiben erlassen würden. Auf die Idee, dass man sich durch ein Gerücht hatte ins Bockshorn jagen lassen, kam eigentlich niemand.

Der Hoax

Als Hoax (engl. für Jux, Scherz, Schabernack; auch Schwindel) wird heute meist eine Falschmeldung bezeichnet, die in Büchern, Zeitschriften oder Zeitungen, per E-Mail, Instant Messenger oder auf anderen Wegen (z. B. SMS, MMS oder soziale Netzwerke) verbreitet, von vielen für wahr gehalten und daher an Freunde, Kollegen, Verwandte und andere Personen weitergeleitet wird. So die Beschreibung bei Wikipedia.

Der Hoax oder Fake hat in Deutschland eine lange politische Tradition. Angefangen bei den Dunkelmännerbriefen, die 1516 anonym publiziert wurden, bis hin zu den Hausbesetzerbewegungen der 80er Jahre in der BRD. Immer wieder ging es darum, die Leute aufzurütteln und ihr Obrigkeitsdenken infrage zu stellen. In diesem Fall ist es schwieriger. Die einfache Logik des Hoax: Wärt ihr nicht so voller Vorurteile gegenüber Polen, müsstet ihr kein stundenlanges Warten und keine Kosten auf euch nehmen, will hier nicht so richtig durchdringen.

Zum Schluss kein Ende

Wer nun glaubt, die Sache mit dem Kfz-Schein sei ausgestanden, der irrt. Man sollte sich fragen, was hat es für den Autobesitzer für Konsequenzen, dass nun nach dieser Löschung des Bindestriches der Kfz-Schein nicht mehr mit dem Kfz-Brief übereinstimmt?



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