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14.07.2010 Templin: Besoffene verprügeln BehindertenRichter schickt einen Angreifer ins GefängnisPrenzlau (ipr) Gestern wurden vor dem Amtsgericht Prenzlau zwei 24- und 25-jährige Templiner für den Überfall auf einen 21-jährigen Behinderten wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung zu 15 und 8 Monaten Haft verurteilt. Die 8 Monate werden zu drei Jahren auf Bewährung ausgesetzt. Zusätzlich hat der Verurteilte noch 200 Sozialstunden abzuleisten. Zwei Aspekte aus der mündlichen Urteilsbegründung blieben haften. Zur Begründung warum hier kein minderschwerer Fall von gefährlicher Körperverletzung vorliege, sagte der Strafrichter, jemanden morgens um halb Acht auf einer belebten Straße ohne Grund zusammenzuschlagen, das schüre Angst. Dem muss das Gericht entgegenwirken. Dazu vermisste der Amtsrichter bei beiden Angeklagten trotz Entschuldigung beim Opfer wirkliche Reue über ihre Tat. Der Überfall Am Morgen des 29. April 2010 nach durchzechter Nacht in der Wohnung von Matthias H. (25), begleitete der seinen Saufkumpanen Nino S. (24) zur Wohnung dessen Bruders Patrick S. – eines bekannten Templiner Rechtsextremisten - in der Templiner Ringstraße. Auf Höhe des Vorstadtbahnhofes erblickten sie den ihnen unbekannten Stefan S., der auf dem Weg zur Schule war. Während Matthias H. das Opfer am linken Arm festhielt, schlug der berufslose Nino S. mehrfach mit der rechten Faust zu bis Stefan S. in die Knie ging. Auf dem Boden kniend erhielt das Opfer noch einen Tritt von Matthias H. in den Brustbereich. Zwei Frauen, die den Überfall im Vorbeifahren beobachteten und sowohl einen Täter als auch das Opfer erkannten, alarmierten die Polizei. Der Templiner Polizei gelang es, die beiden Schläger kurz darauf zu fassen. Nino S., der gerade zwei Tage zuvor wegen einer weiteren gefährlichen Körperverletzung vor dem Amtsgericht Prenzlau zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden war, wurde dem Haftrichter vorgeführt und sitzt seit dem 30. April in Untersuchungshaft (lesen.php?datei=100428_01 mehr). Die Täter Der berufslose Nino S. gestand die Tat. Als Erklärung gab er an, dass er zu viel getrunken und deshalb seine Depressionen bekommen hätte. Die Bilder aus der Kindheit - wie der Vater die Mutter geschlagen hätte - wären wieder hochgekommen. Die Wut hätte herausgemusst. An die Rolle seines arbeitslosen Saufkumpans bei diesem Überfall wollte er sich nicht erinnern können. Dementsprechend konnten sich Matthias H. an seinen Anteil bei dem Überfall ebenfalls nicht erinnern. Er könnte getreten haben, er könnte es auch nicht getan haben. Er wisse es nicht. Er sei zu betrunken gewesen. Bei ihm waren eine Stunde nach der Tat 2,19 und für Nino S. 2,31 Promille gemessen worden. Dem Erinnerungsvermögen von Nino S. konnte der Strafrichter erfolgreich auf die Sprünge helfen. Immerhin hatte er in zwei Vernehmungen zuvor beschrieben, dass Matthias H. dem Opfer einen Fußtritt versetzt hatte. Dass Matthias H. das Opfer am linken Arm oder Handgelenk festgehalten hatte, beschrieb eine Zeugin. Dem Versuch des Anwalts, dieses Festhalten als ein Wegziehen zu interpretieren, setzte der Richter entgegen: „Dann hätte er ihn nicht getreten!“ Die Hoffnung von Nino S., den Richter mit seinem Kindheitstrauma milder zu stimmen, verkehrte sich ins Gegenteil. Er wisse um seine Probleme mit dem Alkohol und den Depressionen, hielt er dem Angeklagten vor. Sieben seiner acht Vorstrafen seien Körperverletzungen. Am 27. April hatte der Strafrichter Nino S im Gerichtssaal eindringlich ermahnt, etwas zu unternehmen. Leider mit wenig Erfolg. Das Opfer Stefan S., dessen Behinderung man nicht sofort erkennen kann, machte vor Gericht einen gefassten Eindruck. Er schilderte ruhig seine Erinnerungen an den Überfall, beschrieb seine Verletzungen im Gesicht und sagte, dass er auch knapp zwei Monate nach der Tat Probleme mit dem Hören im linken Ohr hätte. Er sagte auch, dass er versucht habe, mit Nino S. zu reden. Stefan S. kann weder Lesen noch Schreiben, aber er hat ein klares Erinnerungsvermögen. Er ist zu 60 Prozent behindert. Er hat in diesem Sommer seinen Schulabschluss an der gerade mit Deutschen Schulpreis ausgezeichneten Waldhofschule gemacht und hofft nun auf einen Platz in den Templiner Stephanus-Werkstätten. Die Folgen dieses Überfalls liegen für ihn stärker im psychischen als im körperlichen Bereich. Er hatte gelernt, allein zur Schule zu gehen. Sechs Jahre hatte das in Anspruch genommen. Um diese sechs Jahre wurde er durch die Schläge zurückgeworfen. Er findet es sehr gut, dass die Staatsanwältin gefordert und der Richter die Empfehlung ausgesprochen hat, dass Matthias H. die ihm auferlegten 200 Sozialstunden in einer Behinderteneinrichtung ableisten soll. Im Gerichtssaal Während der Verhandlung befanden sich sowohl die Eltern von Stefan S. als auch die Eltern und der 22-jährige Bruder von Nino S. im Gerichtssaal. Patrick S. versuchte ständig mit Gesten und Sprüchen, Kontakt zu seinem auf der Anklagebank sitzenden Bruder aufzunehmen, der ab und zu zurückfeixte. Patrick S. wurde dafür von Richter des Saales verwiesen. Dieser Rausschmiss schien auf seine Eltern keine große Wirkung gehbt zu haben. Die Eltern des Opfers mussten bei dessen Aussage ständig Schmähungen über sich und ihren behinderten Sohn ergehen lassen. Leider nicht laut genug, dass der Richter vorn es hätte hören können. Noch im Gerichtssaal erklärten die beiden Angeklagten und deren Anwälte, dass sie auf das Einlegen von Rechtsmitteln verzichten würden. Ihre Meinung |