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24.01.2010
Zwei junge Templiner vor Gericht
Herrenmenschen essen keinen Döner
Prenzlau (ipr) In Templin war es im September letzten Jahres immer noch gefährlich an einem türkischen Imbiss einen Döner oder eine türkische Pizza zu essen. Das ist die traurige Quintessenz des ersten Prozesstages vor dem Prenzlauer Jugendschöffengericht gegen die beiden zur rechten Templiner Szene gehörenden berufslosen Ronny M. (19) und Artur E. (20).
Angeklagt sind eine Reihe von Gewalt- und andere Straftaten, die Ronny M. im Zeitraum von April bis September 2009 begangen hatte. Seit dem 18.09.2009 sitzt er in Untersuchungshaft. An seiner bislang letzten Gewalttat soll auch sein Kamerad Artur E. beteiligt gewesen sein. Deshalb sitzt auch er auf der Anklagebank.
High Noon am Türkenimbiss
Die Szenerie, die sich den Polizisten im September 2009 geboten haben muss, als sie am Tatort vor einer Lebensmittel-Filiale in der Dargersdorfer Straße erschienen, dürfte auch sie zum Schmunzeln gebracht haben. Da klemmte die mit einer Bomberjacke bekleidete Glatze, Artur E., besoffen mit seinem Hintern in einem Müllkorb. An der linken Hand ein Quarzhandschuh. Am Boden lag der mit Bomberjacke und Springerstiefeln bekleidete rechte Schläger Ronny M. An der rechten Hand einen Quarzhandschuh. Und halb in der Hocke gegen eine Litfaßsäule gelehnt, befand sich der Schläger Matthias M. Sein kahlrasierter Schädel und sein Gesicht waren blutüberströmt.
Diese Situation konnte keiner der Beteiligten vor Gericht bestreiten. Nur für den Weg dorthin gab es unterschiedliche Versionen. Artur E. macht es sich einfach. Er will sich an nichts mehr erinnern können. Er wäre besoffen gewesen und sei erst auf der Polizeiwache wieder zu sich gekommen. Die bei E. festgestellten 2,2 Promille und zahlreiche Zeugenaussagen sprechen da für ihn. Aber als eine Zeugin behauptete, dass er Springerstiefel angehabt habe, bestritt er dies heftig. Um das tun zu können, muss es auch in seinem besoffenen Zustand lichte Momente gegeben haben.
Ronny M. bekannte sich schuldig. Es sei ihm heute peinlich, dass er zu den beiden Schülern David B. (15) und Marcel Z. (15), die sich am türkischen Imbiss Döner und Pizza holten, gesagt habe, dass er diesen Ausländerfraß nicht möge und er ihnen am liebsten eine Reinhauen würde. Er gab auch zu, dass er den kleinen Simon W., der es gewagt hatte zu fragen, warum M. ihn so anstarre, mit der Quarzhandschuhfaust gegen die Brust geboxt und ihm danach einen Kopfstoß verpasst hatte. Als Simon W. rückwärts die Treppen hinunterstolperte kam Matthias M. (21) ins Spiel.
Local Hero oder endlich auf der Seite des Guten
Matthias M. hatte die Situation gemeinsam mit seinem Bruder Steffen und seiner Frau Marlen vom Auto aus beobachtet. Er stieg aus und eilte dem kleinen W. zu Hilfe. Er fände es ungerecht, erklärte er dem Gericht, dass so ein Großer auf einen Kleinen losging. Matthias M., der Tags zuvor verhaftet worden war, weil er es versäumt hatte, seinen Haftantritt wahrzunehmen, war im Juni 2009 zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden, unter anderem weil er einen 16-Jährigen niedergemacht hatte.
Sowohl der Angeklagte als der Zeuge bestätigten auf Nachfrage, dass sie sich kannten und dass ihr prägendes Gefühl füreinander Feindschaft wäre.
Die Nuancen
Während Matthias M. aussagte, dass er Ronny M. lediglich beiseite in Richtung Litfaßsäule zerrte und dann aus heiterem Himmel einen Schlag erhielt, der seine Kopfhaut zum Platzen brachte, behauptete Ronny M., dass die bedrohliche Situation für Simon W. längst beendet war als Martin M. ihn wegzog und auf ihn einschlug. Was bedeuten soll, er habe sich mit dem Schlag auf den Kopf lediglich zur Wehr gesetzt. Matthias M. bestritt eigenes Schlagen vehement.
Simon W. sieht Matthias M. als seinen Retter. Er sei später noch einmal zu ihm hin und habe sich bei ihm bedankt, erklärte er vor Gericht. Er hatte in der Situation große Angst und versuchte sein Fahrrad zu erreichen, was Ronny M. nicht zuließ, als Matthias M. ihm zu Hilfe kam. Aber auch er und David B. wollen gesehen haben, dass Martin M. zuschlug.
Weder Marlen M. noch Steffen M. konnten sich im Zeugenstand daran erinnern, gesehen zu haben, dass Matthias M. zugeschlagen hatte. Beide gaben an, dass sie aber auch abgelenkt waren durch den vierjährigen Sohn von Marlen M., der noch allein im Auto saß und bitterlich weinte. Zumindest konnte Steffen M. das Gericht darüber aufklären wie das Abschlussbild zustande kam. Er sei es gewesen, der Artur E. in den Papierkorb geschleudert und Ronny M. zu Boden gestoßen habe.
Rechte Szene
Der Vorsitzende Richter frage Ronny M. konkret zu seiner Zugehörigkeit zur rechten Szene Templins. Er sagte, dass er mehr Freunde in der rechten Szene gehabt hätte und dass er sich so angezogen hätte. Er sehe sich mehr als Mitläufer. Es gäbe da Andere, die seien mehr rechts, die führen auf Demonstrationen und Veranstaltungen. Das habe er nicht getan. Er wolle weg von den Leuten und weg vom Suff. Während diese Tat hatte er 1,89 Promille.
Weitere Anklagepunkte
Weitere Vorwürfe gegen ihn, die am ersten Prozesstag verhandelt wurden, räumte Ronny M. größtenteils ein. Da gab es eine Körperverletzung gegen seinen Freund und Mitangeklagten Artur E., eine Fahrradtour unter Alkoholeinfluss und eine fahrlässige Körperverletzung mit Fahrerflucht nach einem Fahrradunfall nicht unter Alkoholeinfluss. Zwei Sachverständige begleiten den Prozess, um den Einfluss des Alkohols bei den Straftaten zu begutachten. Ronny M. beschreibt sich selbst als alkoholabhängig mit einem Hang zu verstärkter Aggressivität unter Alkoholeinfluss.
Der nächste Prozesstag findet am Montag, den 25.01.2010 statt.
 
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