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news >> 2009 >> 091104_01

04.11.2009

Urteile im Prozess um vier Gewalttaten am Rande eines Konzertes der Böhsen Onkelz Coverband "Dick & Durstig" in Prenzlau

Ein kostspieliger Abend für zwei der drei Angeklagten

Prenzlau (ipr) Am Montag dieser Woche wurden Enrico S. (33) und Marcel W. (32) wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung nach zwei Verhandlungstagen vor dem Amtsgericht Prenzlau zu zehn beziehungsweise acht Monaten Haft verurteilt. Die Strafen wurden auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Zusätzlich müssen beide Männer eine Geldstrafe von 1000 Euro zahlen, die der Arbeit des Weißen Ringes zugutekommen wird. Ein dritter Angeklagter, Maik S. (26), wurde freigesprochen.

Die drei Angeklagten hatten sich für insgesamt vier Gewalttaten vor dem Prenzlauer Schöffengericht zu verantworten. Tatorte waren die Gaststätte Kurgarten und der Gehweg vor der Stadtverwaltung . In der Nacht vom 8. auf den 9. November 2008 sollten dort die drei Männer während und nach einem Konzert der Böhsen Onkelz Coverband "Dick & Durstig" ihre vier Opfer innerhalb von zwei Stunden geschlagen und getreten haben. Der Richter und die beiden Schöffen hatten sich durch einen Wust von stark voneinander abweichenden Zeugenaussagen zu durchkämpfen, um zu ihrem Urteil zu gelangen.

Durcheinander auf der Tanzfläche

Auf dem Weg von der Bar zur Bühne war Enrico S. in der Pogo tanzenden Menge angerempelt worden, was ihn veranlasste, den rempelnden Ricardo M mit einem Faustschlag niederzustrecken. Das Gericht sah diesen Vorgang als erwiesen an und verurteilte Enrico S. für die Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Warum der stark angetrunkene bisher aber strafrechtlich nicht vorbelastete Enrico S. hier so aggressiv reagierte, wurde während der zwei Verhandlungstage nicht klar.

Als er wieder auf den Beinen stand, wurde Ricardo M. von einer weiteren Geraden getroffen und zu Boden geschickt. Die sollte der zwei Meter lange Maik S. aus der Deckung hinter Enrico S. abgeschickt haben. Maik S. bestritt das. Er sprach von einer Verwechslung, was andere Zeugen bestätigten. Das sah das Gericht auch so und sprach Maik S. von diesem Schlag frei.

Der Staatsanwalt war hier in seinem Plädoyer ganz anderer Meinung. Er hielt Maik S. für einen Schläger und beschrieb dieses Schlagen aus dem Hintergrund als für ihn typisch. Er hatte zuvor fünf Körperverletzung - für die Maik S. bereits verurteilt worden war - in den Prozess eingeführt, konnte sich aber mit seiner Auffassung nicht durchsetzen.

Durcheinander in den Köpfen

Ein weiterer Zeuge, Ralf G., wollte sogar gesehen haben, dass neben Enrico S. und Maik S. der dritte Angeklagte, Marcel W,. auf der Tanzfläche mitgeprügelt hatte. Was dieser bestritt. Er wäre erst nach dem Schlag auf die Tanzfläche geeilt, um schlichtend einzugreifen. Eine Version, der auch das Gericht Glauben schenkte.

Dann bemerkte Ralf G., dass sich Enrico S. erneut über Ricardo M. hermachen wollte. Er eilte auf die Tanzfläche, stellte sich schützend vor ihn hin und bekam von Enrico S. eins aufs Maul. Ralf G. schlug zurück und Enrico S. ging zu Boden. Diesem Teil der Aussage von Ralf G. folgte das Gericht mit der Begründung, dass Enrico S. selbst berichtet habe, er hätte am Boden gelegen, wisse nur nicht warum. Nun wisse das Gericht warum, weil nämlich Ralf G. zurückgeschlagen habe. Es verurteilte Enrico S. wegen Körperverletzung zu einer weiteren Geldstrafe von 60 Tagessätzen.

Für die Behauptung von Ralf G., dass er daraufhin von den drei Angeklagten gemeinsam angegriffen, geprügelt und getreten worden sein soll, fand das Gericht keine weiteren Zeugen, die das bestätigen konnten. Es verwies diesen Vorwurf in den Bereich der Fantasie.

Für die dritte Gewalttat an diesem Abend fand das Gericht keine weiteren Zeugen. Selbst das Opfer konnte sich nicht an den Täter erinnern. Er sei stark betrunken gewesen, sei geschlagen worden und habe sich plötzlich am Boden liegend vor der Herrentoilette wiedergefunden. Später habe man ihm berichtet, wer ihn geschlagen habe. Vom Hörensagen gilt nicht, befand das Gericht und sprach Enrico S. von diesem Anklagepunkt frei.

Auf ein Viertes

Das vierte Opfer in dieser Nacht war bereits auf dem Heimweg. "Komm Murat, wir gehen weiter." Dieser Satz soll für Marcel W. und Enrico S., die auf der Mauer vor der Prenzlauer Stadtverwaltung saßen, ausgereicht haben, den Uckermärker Marian P. (21), dessen Spitzname Murat ist, als Türkenschwein oder Ausländer zu beschimpfen. Worauf Marian P. gefragt haben soll: "Was wollt ihr? Ich zahl doch für euer Hartz IV." Das wiederum soll für den stark angetrunkenen Enrico S. der Auslöser gewesen sein, sich auf Marian P. zu stürzen, ihn mit einem Faustschlag auf das linke Auge zu Boden zu schlagen und gemeinsam mit Marcel W. auf Körper und Kopf einzutreten.

Der bisher ebenfalls strafrechtlich noch nicht belastete Marcel W. war in diesem Fall geständig und entschuldigte sich für seine Tat. Er entlastete aber gleichzeitig Enrico S. Der hätte gar nicht mehr allein gehen können, weil er zu betrunken gewesen war.

Zumindest in diesem Fall gab es allerdings die Zeugenaussage eines nüchternen Beobachters, der beide Männer an der Tat beteiligt gesehen haben will und dem das Gericht voll und ganz glaubte. Seine Zeugenaussage fügte sich nach Meinung des Gerichtes nahtlos in die Aussage eine Polizisten ein, der kurze Zeit später am Ort des Geschehens erschienen war und beobachtet hatte, dass sich Enrico S. vom Tatort entfernte.

Sowohl Staatsanwaltschaft als auch das Gericht legten keinen Wert auf die Beurteilung der im Vorfeld gefallenen ausländerfeindlichen und beleidigenden Worte. Die beiden Angeklagten wurden wegen gefährlicher Körperverletzung zu jeweils acht Monaten Haft verurteilt.

Für Enrico S. wurde aus der Haftstrafe und den beiden Geldstrafen eine zehnmonatige Gesamtstrafe gebildet. Beide Strafen wurden auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Die jeweils 1000 Euro für den Weißen Ring dürfen die Verurteilten in Monatsraten von 100 Euro abstottern. Einen Teil der Gerichtskosten müssen sie ebenfalls tragen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Bericht vom ersten Prozesstag



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