[home]   [hintergrund]   [forum]   [blog]   [impressum]
<h1>info-portal rechtsextremismus</h1>
Nachrichten, Berichte, Analysen zum Rechtsextremismus in der Uckermark
 
[news]
news >> 2023 >> 230320_01

20.03.2023am 22.03.2023

Anti-Flüchtlingsdemo in Prenzlau

Die AfD zieht die Tschetschenenkarte

Prenzlau (ipr) Streitigkeiten in der Prenzlauer Drogenszene an denen auch tschetschenische Jugendliche beteiligt sein sollen, dienen der AfD als Vorwand, gegen vermeintliche Migrantenbanden zu hetzen. Prenzlaus Bürgermeister lässt sich von der AfD treiben und haut in dieselbe Kerbe. Für heute Abend hat die AfD in Prenzlau zu einer Demonstration aufgerufen auf der auch Bürgermeister Sommer reden will. Eine Gegenveranstaltung zu dem ein Bündnis aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, VVN–BdA und dem Landesverband Jüdischer Gemeinden Brandenburg aufruft, wird zeitgleich stattfinden.


screenshot: ipr

Den Reigen der Tschetschenenhetze eröffnet der vom Militärischen Abschirmdienst als extremistisch eingestufte AfD-Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende der Jungen Alternative Hannes Gnauck mit einem Facebook-Post am 16. Februar. Unter der Überschrift "Tschetschenenterror in der Uckermark stoppen" behauptet er "Schüler müssen mit Polizeischutz abgeholt werden, Jugendliche werden auf offener Straße brutal zusammengeschlagen, Frauen fühlen sich nicht mehr sicher" und wirft Prenzlaus Bürgermeister Henrik Sommer (parteilos) vor, bei diesem Thema weder Ross noch Reiter zu benennen.

Claudia Marsal hat für die Prenzlauer Zeitung bei der Polizeipressestelle in Frankfurt Oder nachgefragt und erfahren, «dass aktuell auch vereinzelt Ermittlungsverfahren bearbeitet werden, bei denen Jugendliche und/oder Erwachsene tschetschenischer Herkunft tatverdächtig sind. Einige der Personen sind auch wiederholt mit Straftaten in Erscheinung getreten. Diesem Personenkreis widmet die Polizeiinspektion Uckermark besonderes Augenmerk." Die Aussagen des AfD–Politikers würden, so Kamenz, "dennoch nicht mitgetragen, weil es sich um eine überschaubare Anzahl von Delikten handelt.»

Es gibt auch ein tschetschenisches Statement dazu auf Instagram, das von Claudia Marsal zitiert wird: «... Viele wollen uns Angst machen und auf die fresse schlagen aber wenn sie auf die fresse kriegen rennen sie zu Polizei und sind auf einmal unschuldiger Opfer von uns obwohl er selbst provoziert hat ... es sind viele die möchte gern Gangster, meine bitte an euch ist das ihr nicht zu viel angibt vor eure Freundin oder Freunde, ihr trifft jedes Mal den Flaschen ... Nur weil wir kein Angst haben heist das nicht das wir die bösen sind.»

Das klingt natürlich sehr edel. Abziehen von Handys quasi als Notwehr. Das war jetzt ironisch gemeint. Aber Tatsache ist, dass vor Corona Prenzlau ein Hotspot rechter Gewalttaten gegen Flüchtlinge war. Allerdings kennt gegenrede.info nur einen Fall bei dem tschetschenische Kinder von Nazis mit Messer und zerschlagener Bierflasche vor der Flüchtlingsunterkunft angegriffen wurden.


screenshot: ipr

Der Überfall

Am 3. März meldet die Polizei, dass am späten Abend des Vortages ca. zehn Männer in einem Mehrfamilienhaus im Robert-Schulz-Ring erschienen sind. "Dort versuchten sie dann, mit Gewalt in die Wohnung eines 33-Jährigen zu gelangen. Zwar entstand Sachschaden an der Tür, doch hielt diese den Aufbruchbemühungen stand. Schließlich zog die Gruppe ab. Dabei zerschlug einer der noch Unbekannten auch noch das Rücklicht eines Skodas."

Der AfD-Landtagsabgeordnete Felix Teichner schreibt ebenfalls am 3. März auf seinem Facebook-Profil, dass er vor Ort gewesen und auf verängstigte Anwohner getroffen sei. Dazu präsentiert er ein Video über den Angriff und behauptet, dass dies Tschetschenen gewesen seien. Felix Teichner scheint Insiderwissen zu besitzen. Aus dem Blickwinkel des Videos geht eindeutig hervor aus welcher Wohnung heraus das Video aufgenommen wurde. Der Wohnungsmieter verrät auf Facebook, dass er Karpfenangler ist. Der Angegriffene verrät auf seinem Facebook-Profil, dass Träger von Landser Sweatshirts zu seinem Freundeskreis zählen, aber auch der Hobbyfilmer im Parterre. Beide teilen auch das Hobby des Karpfenangelns. Und nicht zu vergessen der Hobbyfilmer ist ein Anhänger der AfD.

Das erste Gerücht, das gegenrede.info erreichte, besagt, dass die Tschetschenen den Drogenhandel in Prenzlau übernehmen wollen. Das klingt sehr groß. Die Polizei bestätigt allerdings, dass der Angegriffene schon mit Drogendelikten aufgefallen ist. Mittlerweile sagt die Polizei laut Prenzlauer Zeitung, dass mindestens zwei jugendliche Tschetschenen, die bereits durch Körperverletzungsdelikte bekannt sind, an dem Angriff beteiligt waren.

In der Sitzung des Bildungs-, Kultur- und Sozialausschusses der Prenzlauer Stadtverordneten am Mittwochabend soll Bürgermeister Sommer (parteilos) den Überfall als Beziehungstat bezeichnet haben, bei der Drogenhandel eine Rolle spiele. Das heißt, beide Seiten kannten sich bereits vor dem 2. März und ihre Beziehung könnte dann eine kriminelle Geschäftsbeziehung sein bei der eine der beiden Seiten ihren Teil des Geschäftes nicht erfüllt hat. Das ist natürlich Spekulation und man darf auf die Ermittlungsergebnisse gespannt sein. Aber die AfD nutzt diesen Überfall um gegen Migranten zu hetzen und die Situation anzuheizen. Da ist es dann auch schon egal, dass man sich zum Handlanger deutscher Drogendealer machen könnte.


screenshot: ipr

Die Aussage von Henrik Sommer, dass es im Zusammenhang mit der versuchten Wohnungserstürmung zwei Festnahmen gegeben habe, wollte die Polizei nicht bestätigen. Allerdings sei am Sonntag vom Haftrichter in Neuruppin für einen in Prenzlau lebenden Tschetschenen U-Haft angeordnet worden. Tatvorwürfe gegen den 20-jährigen Rustan B. seien Raub, Erpressung und Drogendelikte. Ob der Heranwachsende an der Aktion am 2. März beteiligt war, ist allerdings unklar. Die Videobilder seien zu unscharf, heißt es.

Der Brandbrief

Bürgermeister Hendrik Sommer ist längst zum Geriebenen geworden. In einem Gespräch mit dem Radiosender Antenne Brandenburg sieht er die Gefahr, dass die Bürger zur Waffe greifen: "Da wird eine Situation erzielt, die wir alle nicht möchten. Weil das kann ganz schnell umschlagen. Weil die Bevölkerung selbst versucht, das Gesetz in die Hand zu nehmen. Mir wurden schon Schreiben geschickt in den letzten Tagen, wo man mir ernsthaft Hilfe zukommen lassen möchte. Und mit dem Hinweis, wir klären das selber Bürgermeister, musst uns nur lassen. Wir besorgen uns die entsprechenden Waffen. Wir kümmern uns. Also, das will ja keiner. Und das muss man den entsprechenden Stellen ganz oben bei uns im Land vorlegen."

Gesagt - getan. Entsprechend gibt es einen Brief von ihm und dem Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung Ludger Melters (CDU) an den Ministerpräsidenten und den Innenminister mit der dringenden Bitte um Hilfe. Da werden dann die Straftaten aufgelistet: Diebstahl, räuberische Erpressung, Sachbeschädigung, Bedrohung, Drogendelikte, Straßenkämpfe und der Versuch des gewaltsamen Eindringens in Wohnungen. "Die Anzahl und Qualität der Straftaten nehme besorgniserregend zu und verängstige die Bevölkerung". Natürlich darf auch die Justizschelte nicht fehlen. Die Stadt stoße dadurch inzwischen an ihre Grenzen, "da Gewalt und Kriminalität scheinbar keine Konsequenzen haben, fehlt es doch an den entsprechenden Maßnahmen der Justiz."


screenshot: ipr

… und die Justiz

Vergangenen Donnerstag wurde vor dem Jugendschöffengericht in Prenzlau ein 16-jähriger Intensivtäter in 13 Fällen schuldig gesprochen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der junge Tschetschene zwischen Juni 2021 und Juli 2022 drei Ladendiebstähle, zwei Beleidigungen, eine Bedrohung, fünf Körperverletzungen und zwei gefährliche Körperverletzungen begangen hat. Der Großteil der Straftaten soll im schulischen Umfeld stattgefunden haben. Leute, die ihn kennen sagen, dass er gut deutsch spreche und redegewandt sei. Die Entscheidung über eine Jugendstrafe (Jugendhaft) wurde auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Der Jugendliche bekommt einen Bewährungshelfer zugewiesen, muss an einem Anti-Aggressionstraining teilnehmen und muss regelmäßig zur Schule gehen.


Keine Kommentare mehr möglich. Sorry!!