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news >> 2008 >> 081210_01

10.12.2008

Urteil wegen brutaler Gewalttaten in Brüssow rechtskräftig

Die Schöne als das Böse

Prenzlau (ipr) Beatrice K. gehört zu den jungen Frauen, die wissen, dass Männer sich nach ihnen umdrehen. Selbst die Handschellen mit denen sie in den Gerichtsaal geführt wird, lassen sie kaum weniger interessant erscheinen. Die zwei Justizbeamten, die sie begleiten, hat diese zierlich anmutende Person längst um den kleinen Finger gewickelt. Die Beiden können sich schon gar nicht vorstellen, dass ein ausgewachsener Kerl wie der 23-jährige Steffen K. im Zeugenstand flüstert, er habe noch heute Angst!

Zu fünf Jahren Jugendstrafe wurde sie Ende November vor dem Jugendschöffengericht in Prenzlau verurteilt. Seit Montag dieser Woche ist das Urteil rechtskräftig. Elf selbstständige Straftaten wurden ihr vorgeworfen. Davon zehn begangen innerhalb von zwei Monaten. Über Nötigung, Sachbeschädigung, Diebstahl bis hin zu schwerer Körperverletzung und gemeinschaftlichen schweren Raub war erhebliches von dem dabei, was das Strafgesetzbuch zu bieten hat.

Wegen der Körperverletzungen und dem gemeinschaftlichen schweren Raub waren in einem weiteren Prozess im Jahre 2006 bereits zwei Männer aus Brüssow zu jeweils sechs Jahren Haft verurteilt worden. Toni L. und Marko M. gehörten wie Beatrice K. ebenfalls der rechten Szene an und waren zeitweise mit ihr liiert.

Zug durchs Strafgesetzbuch

Am späten Abend des 11. April 2005 zog die Angeklagte mit ihrem Liebhaber Marko M. und ihrer Freundin Ariane D. durch die Straßen Brüssows. Alle drei sollen nach den Angaben Beatrice K. reichlich getrunken haben. Bei dem Rundgang, der im sogenannten Brüssower Neubau begann und endete, ging erst einmal die große Scheibe eines Begräbnisinstituts zu Bruch. Ein eiserner Fahrradständer fand sich dank der beiden Frauen spontan in den Auslagen eines Friseurladens wieder. Davor ein Scherbenhaufen. Der Schaukasten des örtlichen Anglervereins bekam auch seinen Ellbogen ab und musste danach neu verglast werden.

Das Trio zog weiter an der Feuerwehr vorbei in Richtung Stadtmauer. Sie betraten den Hof des Hauses, das heute das Brüssower Kulturhaus mit dem Kino beherbergt und hielten dort ein lautes Schwätzchen. So viel zur Sachbeschädigung an diesem Abend.

In einer Wohnung dieses Hauses hatten Mirko L., den die Kumpels nur Momo nennen, Steffen K. und Sebastian B. gemeinsam Bier getrunken. Mirko L. hörte unten Stimmen und gesellte sich zu denen im Hof. Ob Steffen K. mit in den Hof hinunter gegangen war, oder ob Beatrice K. mit den Worten: „Den wollte ich schon immer mal fertig machen“ in die Wohnung stürmte und Steffen K. in den Hof zerrte, wurde auch durch die Zeugenaussagen nicht klarer.

Folterähnliches Vorgehen

Klar ist, Steffen K. wurde im Hof von der Angeklagten mit Fausthieben und Tritten gepeinigt. Beatrice K. bestreitet das nicht. Die Zeugen sagen, Steffen K. habe mehrere Faustschläge, sei zu Boden gegangen und habe Tritte und das Knie ins Gesicht bekommen. Er habe geblutet, sein Nasenbein sei gebrochen gewesen, ein Zahn rausgetreten. Marko M. habe gelacht und seine Freundin angefeuert, mit Springerstiefeln nach Steffen Ks. Kopf getreten, ihn aber nicht getroffen. Die Anderen ließen das Schlägerpärchen gewähren bis Marko M. einen Metallstuhl auf das am Boden liegende Opfer dreschen wollte.

Das reichte. Ariane D. brachte den Geschundenen zurück in die Wohnung von Momo. Schickte ihn ins Badezimmer, sich das Gesicht zu waschen. Sie gibt vor Gericht an, nicht bemerkt zu haben, dass Beatrice K. ihnen gefolgt war. Die Angeklagte packte ihr Opfer und zwang es, Weichspüler zu trinken. Es schluckte kurz und spuckte dann die Flüssigkeit aus. „Willst du ihn umbringen?“ schrie ihre Freundin. „Nein!“ Beatrice K. sprühte ihm Rasierschaum in den Mund. Er sollte ihn essen. Sie stieß ihn in die Wanne, duschte ihr Opfer mit kaltem Wasser ab und schlug ihm den Duschbrausenkopf mehrfach auf den Schädel. „Das Wasser färbte sich rot vom Blut,“ sagt Ariane D. vor Gericht: „Die weiße Hose von Beatrice war blutverschmiert. Steffen wimmerte und heulte.“ Und irgendwann dazwischen oder danach drückte sie eine brennende Zigarette im Gesicht von Steffen K. aus.

Die Macht der Angst

Kaputte Nase, kaputtes Gebiss, Beeinträchtigung von Hör- und Sehvermögen. Der Richter wird später im Urteil von Misshandlungen und folterähnlichem Vorgehen sprechen. Und aufgehört habe sie nur, weil Ariane D. sie an die Wand drückte und so von ihrem Opfer fernhielt. Potzlow war hier nicht mehr weit.

Die Drohung, er werde totgeschlagen, wenn er was sagt, hat Steffen K. mitgenommen bis heute. Er hätte nie von sich aus Anzeige erstattet. Erst als Beatrice K. zehn Tage später nach einem weiteren Gewaltakt von sich aus die Polizei rief, wurde auch diese Tat bekannt.

Sie hatte ihrem Treiben selbst ein Ende bereitet, weil sie glaubte, da verblute einer, den sie wegen 50 Euro mit einem Schraubenzieher bearbeitet hatte. Dem Richter sagt Steffen K., dass er nach jedem Prozess in dem er zu diesem Fall aussagen musste, umgezogen sei.

Die Suche nach dem Motiv

Über Steffen K. sagt die Brüssowerin, sie habe ihn aus der Schule gekannt und schon da nicht leiden können. Der Richter hält ihr entgegen, dass diese Schulbekanntschaft auf erste und zweite Klasse beschränkt war. Das kann zwölf Jahre später ja keine Rolle mehr gespielt haben. Da zuckt sie mit den Schultern.

Soll es wirklich der extreme Alkoholgenuss sein, der einen im nüchternen Zustand als kontrolliert geltenden Menschen in ein derartiges Gewaltwesen verwandelt? Der Jugendrichter will das nicht so stehen lassen, wie es Angeklagte und Zeugin Ariane D. vermitteln. Er fragt nach der rechten Gesinnung der Angeklagten. Sie sagt, sie sei nur Mitläuferin gewesen. Das „Mitläuferin“ zweifelt er an. Beatrice K. muss zugeben, sich selbst als „Nazi-Braut“ bezeichnet zu haben. Sie gibt an, noch 2006 während der Fußball Weltmeisterschaft Nazi-Parolen gegrölt zu haben. Seit 2000 als sie von zu Hause ausgezogen und in eine Hausgemeinschaft rechter Männer in den Nachbarort Menkin gezogen war, gehörte sie zur rechten Szene.

Eine rechte Szene, die in diesen Jahren geprägt war von Crashfahrten mit „geborgten“ Autos, Prügeleien mit Punks und vermeintlichen Linken und Überfällen auf allein stehende Gehöfte der alternativen Szene. Ob sie oder die Männer ihrer Hausgemeinschaft an diesen Aktionen beteiligt waren, das wissen vielleicht Richter und Staatsanwälte, zur Sprache kommt das so im Gericht nicht. Aber auch die Geburt eines Kindes im Jahre 2003 bringt sie nicht zur Ruhe.

Was sie über ihre Opfer denkt, schimmert nur einen kurzen Augenblick durch. Als ihr letztes Opfer, Horst B. aus Trampe, schildert, dass sie sich breitbeinig auf seinen Schoß setzte, bevor sie mit dem Schraubenzieher auf ihn einstach. Er glaubte, dass sie mit ihm Sex haben wollte. Da entfährt ihr ein Lacher und ein Blick zu ihrer Anwältin, der einiges verrät: Vor allem, dass ein Kerl wie B. doch erheblich unter ihrer Würde gewesen wäre. Dabei haben sie und ihre Kumpels regelmäßig Zeit mit ihn versoffen. Während ihrer Vernehmung durch die Polizei waren schon Sätze gefallen wie „Alles Penner, alles Assis!“ oder über Horst B., den sie mit dessen Deo besprühte, um ihn anzuzünden: „Der Stinker hat doch nie ein Deo besessen!“.

Ihre Selbstanzeige führte zu einigen Wochen Untersuchungshaft. Danach bat sie ihre Opfer um Entschuldigung. Horst B. nahm das an. Ließ sie später sogar mit einer Freundin bei ihm in Trampe übernachten. Steffen K. hatte sich nur aus „Schiss“, wie er es formuliert, auf ein Gespräch mit ihr eingelassen. Der Richter forschte intensiv nach, ob hier die Angeklagte versucht hatte, die Zeugen zu beeinflussen, entschied sich dann aber doch, Beatrice K. Glauben zu schenken. Vermutlich auch, weil bis heute keine neue Gewalttat bekannt geworden ist.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen entscheidet sich der Jugendrichter dann doch dafür, dass der Alkohol mehr war als nur ein Katalysator, der ihre Gesinnung in Gewalt ausarten ließ. Der Alkohol in hohen Dosen ist ursächlich für das gewalttätige Handeln von Beatrice K.

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