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12.07.2012

Nach den Durchsuchungen in Brandenburg, Berlin und Nordrhein-Westfahlen wegen Bildung bewaffneter Gruppen durch Nazis

Sag mir wo die Waffen sind, …

Pinnow (ipr) Als am vergangen Samstag Wohnungen und Geschäftsräume in Gütersloh, Herzebrock-Clarholz, Berlin, Potsdam und Ahrensfelde (Barnim) durchsucht wurden, befanden sich die Polizeibeamten auf der Suche nach Waffen. Gefunden wurden lediglich Schreckschusspistolen und ein Luftdruckgewehr. Bleibt die Frage, wer hat die Waffen? Oder gibt es sie gar nicht?

Auslöser für die Durchsuchungen war der Tod des Nazis Jörg Lange am 22. März diesen Jahres in der Frühstückspension "Weißes Haus" in Herzberg knapp 60 Kilometer nordwestlich von Berlin. Der Berliner Nazi Jan G. hatte den 46-Jährigen leblos in dessen Zimmer gefunden und den Notarzt verständigt. Der diagnostizierte Herzinfarkt. Die nachrückenden Polizisten entdeckten in dem Zimmer einen Militärrucksack mit drei Waffen und dreihundert Schuss Munition.

Oberstaatsanwältin Lodenkämper von der Staatsanwaltschaft Neuruppin: "Die gefundenen Munition passte nicht zu den Waffen im Rucksack." Daraus entwickelte sich der Verdacht, dass es irgendwo ein Waffenlager geben muss. Drei Monate wurde ermittelt und dann bei fünf Beschuldigten wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe sowie Verstoß gegen das Waffengesetz durchsucht.

Die Beschuldigten

Brigitte H. hatte das 4500 Quadratmeter große Anwesen um das "Weiße Haus" samt Büros, Tagungsräumen und Gästezimmern in diesem Frühjahr gepachtet. Sie wolle dort Kurse und Seminare über alternatives Leben veranstalten, soll sie den Ahnungslosen Eigentümern laut Spiegel erklärt haben. Brigitte H. ist die Lebensgefährtin des bekannten Nazis Meinold Schönborn und auch die Eigentümerin des von ihm betriebenen "z-versandes" in Herzebrock-Clarholz im Kreis Gütersloh".

In Wirklichkeit wollte Meinold Schönborn dort mit Jörg Lange ein Schulungszentrum für Rechtsextreme eröffnen. "Jörg wollte die Leute in Sachen Computer und Netzwerke schulen, ich wäre für Politik und Organisation zuständig gewesen", sagte er gegenüber dem Westfalen-Blatt. Er bestreitet aber an der Gründung einer bewaffneten Gruppe beteiligt gewesen zu sein. Er nannte den Vorwurf "völligen Blödsinn". Seine Waffen seien Worte. "Ich habe mit scharfen Waffen noch nie etwas am Hut gehabt. Wehrsportgruppen und so was waren nie mein Ding." Dass Jörg Waffen besessen habe, habe er nicht gewusst.

Soweit die Äußerungen des Ex-Vorsitzenden der 1992 verbotenen "Nationalistischen Front"(NF), der seit Herbst 1991 zur Bildung eines Nationalen Einsatzkommandos (NEK) aufgerufen hatte.

Aufgabe des NEK sollte die Aufstellung kadermäßig gegliederter, mobiler Verbände sein, die für den politischen Kampf auf der Straße und die Planung und Koordinierung überraschender, zentral durchgeführter Aktionen geschult sind. Als bewaffnete Kampftruppe sollte das NEK gegen "Ausländerverbrecherbanden", "Linke" und die "Staatsgewalt" eingesetzt werden.

Jan G., der den Toten gefunden hatte, gehörte ebenfalls zur "Nationalistischen Front". In Berlin agierte er später bei den Jungen Nationaldemokraten (JN). Im Streit um die Nominierung von Safet Babic Ende 2003 löste er sich von der NPD/JN und arbeitete in der parteiunabhängigen Gruppierung "Deutsche Jugend" mit. Die wiederum hatte enge Kontakte zur brandenburgischen "Bewegung Neue Ordnung" (BNO), später "Schutzbund Deutschland", der 2006 verboten wurde.

In den 90er Jahren der vergangenen Jahrhunderts gehörte Jan G. zur "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V. (BKP) deren Hauptaufgabe nach Einschätzung des Antifaschistischen Presseachives in der "Schulung und Heranziehung von neofaschistischen Führungskadern" lag. Der Verein wurde in zwei Berichten des brandenburgischen Verfassungsschutzes erwähnt. Er fördert die Integration der rechtsextremistischen Szene Berlins und seines Brandenburger Umlandes, hieß es da. Durchsucht wurden Jan Gs. Wohnung in Berlin und dessen Arbeitsstätte in Potsdam.

Fehlen noch die Informationen über zwei Männer. Klar ist bisher nur, dass sie in Ahrensfelde (Barnim) direkt an der Berliner Stadtgrenze wohnen. Es sind nicht die ersten Hausdurchsuchungen in Ahrensfelde mit rechtem Hintergrund gewesen. Als der Internetversand "Reconquista" die NSU-Morde zum perfiden Modetrend machen und T-Shirts bedruckt mit dem Schriftzug "Killer Döner nach Thüringer Art" verkaufen wollte, liefen die Fahnder auch in Ahrensfelde auf. Oberstaatsanwältin Lolita Lodenkämper sagt dazu klar, jede Spekulation in diese Richtung sei Unsinn. Die beiden jetzt beschuldigten Männer habe bisher niemand im Blick gehabt. Eine Aussage, die darauf hindeutet, dass bei den Ermittlungen auch G 10 Maßnahmen zum Einsatz kamen.

Zu den Waffen

Die Polizisten fanden am 22. März im Militärrucksack von Jörg Lange drei Waffen, darunter eine schussbereite 7,65-mm Pistole und ein umgebauter US-Karabiner mit Zielfernrohr, sowie rund 300 Patronen verschiedenen Kalibers.

Über die Herkunft der Waffen kann die Staatsanwaltschaft nichts sagen. Man weiß nur, dass die Waffen in Deutschland für strafbare Handlungen nicht genutzt worden sind. Die zweite Pistole war nicht funktionsfähig und das halbautomatische Gewehr ging bei Beschuss durch Polizeifachleute beim zweiten Schuss kaputt. Interessant ist hier, dass dieses Gewehr mit Holzelementen im Eigenbau zu einer Waffe ähnlich einer Maschinenpistole aufgemotzt worden war.

Bleiben die Patronen, die für zwei weitere Waffenarten zu nutzen sind. Oberstaatsanwältin Lolita Lodenkämper sagt dazu, sie wisse nicht, ob es die gesuchten Waffen überhaupt gefunden werden. Sie wisse nur, da ist Munition, die zu keiner der drei gefundenen Waffen passt und sie hofft, dass die Auswertung der beschlagnahmten Rechner die Ermittler weiter bringt.